Genesen aber nicht gesund.
Der August startete volle Pläne, Optimismus aber auch mit einem Gefühl von Wandel. Die Recherchen zu meinem Buch haben mich vermehrt zum Nachdenken gebracht, über den Tod lesen und lernen geht nicht ganz spurlos vorbei. Das habe ich nicht als unangenehm oder stressend empfunden. Ich setze mich immer wieder mit (der eigenen) Vergänglichkeit auseinander und konnte mir dadurch ein eigenes Bild, eine eigene Meinung und auch eine Strategie, damit umzugehen, entwickeln. Den Wandel, den ich schon Anfang des Monats gespürt habe, bezog sich auf meine Rolle in der Welt. Die klassische Frage nach dem Sinn des Lebens hat sich nach und nach leise zurück in mein Leben geschlichen. Falls Du Dich – so wie ich – für Philosophie interessierst, wirst Du das kennen. Wenn nicht, vermutlich auch – in irgendeiner anderen Art und Weise hat sich diese Frage wahrscheinlich jeder schon mal gestellt. Meist geschieht dies in Situationen, in denen man das Leben nicht als in der Form sinnvoll empfindet, wie es einem selbst richtig erscheint. Mein persönlicher Wandel liegt äußerlich darin, dass meine Kinder größer werden, ab dem neuen Schul-/ Kindergartenjahr andere Betreuungszeiten haben und ich meinen Weg von der Autorin zur Schriftstellerin intensiver als jemals zuvor verfolge.
Die #selfietherapie hat sich gut angelassen. Meinem Unbehagen vor Fotos von mir selbst konnte ich entgegentreten, indem ich durch Ausprobieren Posen und Aufnahmewinkel gefunden habe, in denen ich mich (halbwegs) wohl fühle. Auch ein paar andere Dinge habe ich organisieren können. Ich habe den Wandel gespürt und zugleich die Frage danach, wofür das alles gut sein soll.
Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber auf einmal war irgendwas anders. Corona hatte bei mir denselben Effekt, wie die Pandemie auf die Allgemeinheit: Dinge, die in der Luft lagen, wurden beschleunigt.
Charlie Reiß
Und dann kam Corona. Zunächst dachte ich noch, ich entkäme dem Ganzen und nur mein Mann würde krank werden. Wenige Tage später lagen meine Kinder und ich flach. Es gibt nun drei Tage in meinem Leben, an die ich mich (wenn überhaupt) nur schemenhaft erinnere. Ich weiß, dass eine Ärztin da war und habe im Nachhinein erfahren, dass sie mich fast zur weiteren Behandlung ins Krankenhaus eingewiesen hätte. Unsere Test waren zum Glück zeitig genug wieder negativ, dass wir offiziell unsere Woche Urlaub im Schwarzwald antreten konnten. Fit fühlten wir uns nicht, aber die Luft tat gut und half allen, zu entspannen. Zusammen Zeit zu verbringen und gleichzeitig jedem die Gelegenheit zu geben, auch etwas für sich allein zu tun, hilft ungemein bei der Gesundung (wegen der negativen Tests galten wir ja bereits als genesen). Das durfte ich wieder feststellen. Und wie gut Meditieren tun kann. Meine Konzentration reicht nicht für längere Meditationen, aber fünf Minuten sind problemlos möglich. Auch zuhause im Alltag.
Genesen aber nicht gesund.
Was sich dennoch auch nach dem Urlaub nicht gesund anfühlte war mein Kopf. Ich spürte die vorher lediglich in der Luft schwebende Sinnfrage tief in mir und hatte auf einmal Ideen und Ansichten, die mein Denken in eine ganz neue Richtung lenkten. Verstärkt wurde dies dadurch, dass ich Bücher, die ich mir eigentlich vorgenommen hatte im Urlaub zu lesen, zunächst auf meinen SuB legte (ich hoffe, die Autor:innen verzeihen mir dies – für mich hat jedes Buch seine Zeit und muss zu meinem Gemütszustand passen) und gegen andere austauschte. So begleitete mich Christian Uhle mit seinem “Wozu das alles?“ sowie das Hörbuch “Wabi Sabi“ von Beth Kempton. Beides Bücher, die das Potential haben, mein Leben zu verändern. Bereits beim Lesen/ Hören fühlen sie sich an wie die Bibeln meiner aktuellen Lebensphase, die in der Lage sind, mir (endlich) wieder Orientierung und Inspiration zu bringen. Endlich habe ich herausgefunden, was für mich die sogenannten “game changer“ sind, von denen ich schon so häufig in den Sozialen Medien gelesen habe.
Wo wir schon dabei sind: Die Sozialen Medien habe ich seit meiner Erkrankung aus meinem Alltag verbannt. Auszeit. Und es tut verdammt gut! Inzwischen bin ich zwar soweit, dass ich immer wieder mal bei Instagram und Facebook reinschaue und mich ein bisschen informiere. Ich möchte nicht verpassen, was Menschen, die ich mag, dort so machen. Aber was sich blöd anfühlt, nervt oder mich zu sehr zum Grübeln bringt, wird stummgeschalten oder entsorgt. Und, oh Wunder: Mein Kopf funktioniert zwar noch immer nicht wieder wie vorher, vorallem fehlen mir häufig Konzentration und Wörter. Aber die Sicht wird klarer. Ich habe auch nicht mehr das Gefühl, dass ich ja dies noch tun könnte oder das noch posten sollte. Social Media macht mir mega Spaß, aber in letzter Zeit gab es einfach zu viele wertlose Posts, die mehr auf die Seite “anstrengend“ einzuordnen sind, als auf die Seite “bereichernd“. Wann ich wieder ganz zurückkomme, das weiß ich noch nicht. Ich taste mich nach und nach heran.
Uns fehlt ein verlässliches Kriterium, um tiefsinnig klingende Faselei von echter Weisheit zu unterscheiden.
Christian Uhle, “Wozu das alles?“
Genau wie an meine Zukunft. Da setze ich gerade Teil für Teil zusammen. Bewerte Gefühle neu und finde nach und nach meine Vision davon, wie ich mir mein glückliches und erfülltes Leben vorstelle. Damit einhergehend wird mir auch immer klarer, wie ich dorthin gelange und an welchen Schrauben ich drehen muss. Wieder einmal bestätigt sich, dass man andere nicht ändern kann, sondern nur sich selbst. Aber wie man andere behandelt und mit welchen Worten man mit ihnen spricht, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf, wie sie einem gegenübertreten. Spätesten jetzt höre ich mich in gewisser Weise so an wie die Menschen, deren Gelaber mich in letzter Zeit immer so genervt hat. Allerdings vermeide ich meine persönlichen Triggerbegriffe.
Der Prozess ist es, durch den ich lerne. Manche nennen es auch den Weg. Alles andere ist vielleicht Inspiration, aber gewisse Erkenntnisse muss man selbst erlangen. Und sie vorallem spüren.
Charlie Reiß
Ich glaube fest daran, dass der September ein guter Monat werden wird. Ich behaupte nicht, dass er keine Tiefen hat und alles Unerwünschte über Nacht aus meinem Leben verschwindet. Das muss auch gar nicht sein. Fertig ist man eh nie. Nicht einmal, wenn das irdische Leben zu Ende geht. Hierzu gibt es aber demnächst mal einen eigenen Blogbeitrag.
Als Herbstkind und Nicht-Sonnenanbeterin beginnt nun meine persönliche Lieblingsjahreszeit. Ich wünsche Dir einen wunderbaren September!
Deine Charlie 💚